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Sebastian Böhmer

Sportliche Angebote und deren Bedeutung für die kindliche Entwicklung



„Alexa, mach´ Sport für mich.“

So oder so ähnlich könnte heutzutage in etwas überspitzter Form die Grundhaltung zum Sport bzw. zum Sporttreiben von immer mehr Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen umrissen werden.

Sicher, das Leben ist Veränderung und Begriffe wie Generationskonflikt oder auch Zeitenwende bestätigen diesen Effekt des Wandels. Doch die letzte Welle der vom Robert-Koch-Institut (RKI) durchgeführten Studie zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland kurz KiGGS (2017), sowie Bestandsaufnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Bewegungsförderung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, um hier nur zwei zu nennen, sprechen eine eindeutige Sprache fragwürdiger Entwicklungsprozesse. Mit Blick auf die nicht zuletzt gesundheitlichen Folgen der Umwelt- und Lebensveränderungen der sog. Digital Natives (Personen, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind) und deren Folgegenerationen, stellt sich die Frage, wie wir im Zeitalter digitaler Technologie Grundlagen schaffen können, die unseren Kindern einen adäquaten und nachhaltigen Einstieg in die Welt des Sporttreibens ermöglichen.

Dass vielseitige körperliche Aktivität bzw. Sport & Training durch die Schulung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten die motorische Entwicklung fördert, ist hinlänglich bekannt und Gegenstand unzähliger, wissenschaftlich fundierter Studien. Sport im weiteren Sinne ist überdies ein notwendiger und grundlegender Bestandteil der sog. Ontogenese, also dem Entwicklungszeitraum eines Individuums von der Zeugung bis zum Lebensende. Scheid und Rieder (2001, S. 82) beschreiben die menschliche Entwicklung als „ein in ständiger Wechselwirkung sich vollziehendes Ineinander von Wachstum, Reifen, Lernen und Sozialisation.“ Dem Sport als Bindeglied dieser Wechselwirkung kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Betrachtet man die vielen verschiedenen Entwicklungspotenziale im menschlichen Reifeprozess in den Bereichen Physis, Motorik, Emotionen, Kognition aber auch im Bereich der sozialen Lernprozesse wird dies sehr deutlich. Darüber hinaus gehen moderne Entwicklungstheorien davon aus, „…dass die menschliche Entwicklung das Ergebnis einer Interaktion von Anlage und Umwelt ist.“. (Stoll, 2010, S. 165) Demzufolge spielt neben einer genetischen Disposition, also den erblich bedingten Veranlagungen des (jungen) Menschen, das Angebot in der geschaffenen Umwelt des Kindes eine entscheidende Rolle.

Doch was sollte ein solches Angebot beinhalten?

Aus der Perspektive der Bewegungswissenschaft lässt sich nach Prof. Wollny (2010) festhalten, dass „sich die fundamentalen und elementaren Alltagsbewegungen wie das Gehen, Laufen, Springen und Werfen geschlechtsunabhängig bis zum 6./7. Lebensjahr ausdifferenzieren. Im Allgemeinen erwirbt das Kind in dieser Lebensphase einfache Bewegungskombinationen und Bewegungsgrundtechniken des Gerätturnens, des Kinderballetts, der Leichtathletik und des Schwimmens.“ Betrachtet man den Stellenwert des Erwerbs dieser einfachen Bewegungskombinationen und Bewegungsgrundtechniken für den Entwicklungsverlauf von Kindern, so wird die Bedeutung der hierfür notwendigen Angebote im Alltag für Heranwachsende sehr deutlich.


Entscheidend hierbei ist einerseits, Ganzkörpersportarten auszuführen, die weder eine Überlastung noch eine Unterforderung hinsichtlich der Belastung und Beanspruchung einzelner Muskelgruppen hervorrufen. Auf der anderen Seite ist hier von einem sportartspezifischen Training für Kinder dieser Altersklasse eher abzusehen. Dies zeigt eine Review-Studie der Universität Indianapolis aus den USA (Journal of athletic training, 2019). Dieser zufolge kommen Kinder, welche zwischen dem 6. und 13. Lebensjahr in verschiedenen Sportarten Erfahrungen sammeln, nicht nur zu besseren sportlichen Ergebnissen als diejenigen, die sich bereits frühzeitig auf eine Sportart spezialisieren. Es besteht umgekehrt sogar ein höheres Verletzungsrisiko durch Überbeanspruchung bei den jungen „Sportartspezialisten“. Gründe für die besseren sportlichen Resultate liegen hierbei sicherlich auch in der Vielseitigkeit des Trainings und einem damit verbundenen größeren Spektrum an motorischen Bewegungsanforderungen und Trainingsimpulsen.


Was kann das Ziel eines solchen Angebotes sein?


Neben der bereits dargelegten Zielstellung der Entwicklungsförderung in den unterschiedlichsten Bereichen des menschlichen Reifeprozesses, sollte bei jungen Kindern die Freude an der Bewegung im Fokus stehen. Der Weg ist bekanntermaßen das Ziel. Und dieser Weg führt im Idealfall zum Grundverständnis deslebenslangen Sporttreibens.


Und wie sehen solche Angebote aus?


Neben den Möglichkeiten altersgerechter körperlicher Aktivität, die in den Alltag eingebaut werden können wie z.B. das Fahrradfahren, Klettern, Springen, Rollen auf dem Sofa, auf der Wiese usw., bieten Sportvereine und Trainingseinrichtungen Schnupperstunden an, um an den Sport heranzuführen und dem Kind entsprechende Angebote zu unterbreiten. Unter den Aspekten des Ganzkörpertrainings ist beispielsweise besonders das Kinderturnen zu empfehlen. Durch die Entdeckung des Körpers mit allen Sinnen, legt das Turnen den Grundstein für einen Großteil der konditionellen und koordinativen Ansprüche weiterer Sportarten. Auch eine Kombination des Kinderturnens aus Musik mit verschiedenen Materialien kann hier für viel Spaßsorgen, da Kinder nicht erst motiviert werden müssen, sondern hier von ganz allein ihre Bedürfnisse nach Bewegung befriedigen können. Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Sportart zunächst einige Stunden ausprobiert werden sollte, um festzustellen, ob diese zur Persönlichkeit des Kindes passen.






















Neben dem Turnen werden unter Berücksichtigung der aufgeführten Bedingungen ontogenetischer Aspekte weitere Sportarten empfohlen, wie z.B.: Kinder-Judo:

  • hier werden Stütz- und Haltemuskulatur gestärkt und grundlegende koordinative und konditionelle Fähigkeiten geschult.


Kindersport im Park:

  • In immer mehr Städten wird Kindersport im Park angeboten. Ähnlich wie beim Kinderturnen stehen auch hier die natürlichen Bewegungsabläufe im Vordergrund

Kinder-Yoga:

  • welches gut mit anderen Sportarten kombiniert werden kann

Ballsportarten:

  • Ab dem Grundschulalter können Ballsportarten hinzukommen, die zunehmend auch soziale Kompetenzen schulen (Kinder lernen, zu gewinnen und zu verlieren, nehmen Rollen ein, kommunizieren und üben Empathie)

Kinderschwimmen:

  • hier wird sehr gelenkschonend trainiert mit mehr Sicherheit im Wasser, Kinder erlernen hier die Techniken des Kraul-, Brust- und Rückenschwimmens und trainieren ihre Ausdauer. Zusätzliche Motivation können z.B. die Möglichkeit des Erwerbs eines Schwimmabzeichens und/ oder das Bestreiten von ersten Wettkämpfen sein

Kampfsportarten:

  • Karate, Judo und Taekwondo zählen zu den beliebtesten Kampfsportarten

  • Zudem gibt es Kampfsportarten, die ausschließlich der Selbstverteidigung dienen und sich nicht Kampfsport, sondern Kampfkunst nennen z.B. Wing-Tsun

  • unruhige Kinder, die schnell aus der Haut fahren, lernen hier, ihre Energie auf positive Art einzusetzen

  • unsichere und ängstliche Kinder gewinnen dagegen meist an Selbstbewusstsein

Leichtathletik:

  • besonders aktive Kinder können sich bei der sehr vielseitigen Leichtathletik richtig austoben und auch erste Wettkampferfahrungen machen

  • Sportwissenschaftler empfehlen das Turnen als Ergänzungssport, um den Körper noch gezielter auf die Leichtathletik vorzubereiten

Ballett, Kunstturnen und Rhythmische Sportgymnastik:

  • egal ob Mädchen oder Junge, eine gute Körperbeherrschung ist hier bereits nötig

  • das Training ist sehr anspruchsvoll, demzufolge sind Schnupperkurse und einzelne Übungsstunden zu Beginn erstmal ausreichend und der Spaß sollte gerade zu Beginn im Vordergrund stehen

  • wichtig ist vor allem, dass das Kind mit dem Trainer harmoniert, damit kein zu großer Leistungsdruck entsteht und ein frühes Ausscheiden vermieden werden kann


Fazit:

Körperliche Aktivität und Sport machen glücklich und fördern die Gesundheit. Auch und gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung und den pandemiebedingten Folgen sollte speziell den Kleinsten ein Trainingsangebot unterbreitet werden. Das Ziel sollte es sein, einen grundlegenden, positiven Lerneffekt beim Sport zu erzeugen, der im Zusammenhang mit Freude und Gesundheit verinnerlicht wird. Körperliche Aktivität im weiteren Sinne sollte dabei als lebenslanger und selbstverständlicher Bestandteil der persönlichen Entwicklung betrachtet werden. So wichtig wie diese auch ist, ist der körperliche und psychische Entwicklungsstand des Kindes hierbei stets zu berücksichtigen. Von einem leistungsorientierten sportartspezifischen Training für Kinder ist in der Phase der Ausdifferenzierung der fundamentalen und elementaren Alltagsbewegungen aufgrund verschiedener Faktoren wie z.B. der Verletzungsgefahr durch eine mögliche Überbeanspruchung oder beispielsweise dem Risiko der Demotivation abzusehen. Sowohl Vereine als auch sonstige Trainingseinrichtungen bieten vermehrt kindgerechte Sport- und Trainingsangebote. Wichtig ist, dass die jeweilige Entwicklungsstufe des Kindes beachtet und der Spaß an der körperlichen Aktivität gefördert wird, damit somit der Grundstein für ein gesundes, bewegungsorientiertes Leben gelegt werden kann.


Quellen:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31633420/ Zugriff am 14.12.22 um 12:08 Uhr

Scheid, V. & Rieder, H. (2001). Wie entwickelt sich die menschliche Bewegung? In V. Scheid & R. Prohl (Hrsg.), Bewegungslehre. Kursbuch Sport (S. 81 – 121) Wiebelsheim: Limpert.

Stoll, O. & Alferman, D. (2010). Sportpsychologie – ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Meyer & Meyer Verlag. Aachen.

Wollny, R. (2010). Bewegungswissenschaft – ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Meyer & Meyer Verlag. Aachen.


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